Ort der Intellektuellen und Homosexuellen Ost-Berlins

„Hauptsächlich Intellektuelle waren die Gäste der City-Klause“, erinnert sich Reinhard Schicke jr., darunter auch einige, deren Namen man kennt. Wen wunderts, bei der prominenten Lage zwischen Theater am Schiffbauerdamm, dem legendären Friedrichstadtpalast, der Synagoge in der Oranienburgerstraße und der Weidendammer Brücke, auf der einst Erich Kästners Pünktchen und Anton Streichhölzer für kleines Geld verkauften. Mit Beginn des Mauerbaus entwickelte sich die Kneipe am nördlichen Ende der Friedrichstraße zum Treffpunkt auch für Homosexuelle und andere bunte Vögel, wie Charlotte von Mahlsdorf (alias Lothar Berfelde), die sich zuvor im schwulenfreundlicheren West-Berlin orientiert hatten. In der City-Klause waren alle willkommen, die Schickes ungeschriebene Hausregeln respektierten. Heute ist die am 26. Mai 1955 eröffnete und zur Milleniumsfeier am 31.12.1999 geschlossene City-Klause Geschichte und Legende zugleich.

 

Heißes Pflaster

City-Klause 1958

Als Reinhard Schickes Vater 1955 die leerstehende City-Klause in der Friedrichstr. 112 b übernahm, war die Gegend zwischen der nördlichen Friedrichstraße bis zum Scheunenviertel ein traditionell heißes Pflaster. Bereits um die Jahrhundertwende bildete sie mit Kramläden und Kneipen, Prostitutierten und Kleinganoven einen, wie Charlotte von Mahlsdorf in ihrer Autobiografie „Ich bin meine eigene Frau“ (vgl. S. 122-125) schreibt, „wohltuenden Kontrast zur Monstrosität des nahen Alexanderplatzes. (…) Künstler, Schauspieler und Literaten zischten in den Zwanzigern ihre Molle zwischen Ganoven, Strichern und Nutten (…) im Milljöh, welches Heinrich Zille hier in Reinform vorfand und in seinen Zeichnungen festhielt.“ Bestrebungen der Weimarer Republik und der beginnenden SED-Diktatur, Licht ins Dunkel der Halbwelt zu bringen, blieben ohne Erfolg. Eng im wahrsten Wortsinn wurde es für die Kneipenkultur Ost-Berlins erst mit dem Mauerbau.

 

Charlotte von Mahlsdorf in der City-Klause

Ein prominenter Gast der City-Klause war Charlotte von Mahlsdorf (alias Lothar Berfelde). In ihrer Autobiografie „Ich bin meine eigene Frau“ von 1992 erinnert sich die Frontfrau der „Homosexuellen Interessengemeinschaft Berlin“ an einen Besuch Anfang der 1970er-Jahre in der City-Klause. Es war sicher nicht der einzige:

Mit Tutti ging ich zu jener Zeit ab und an in die wenigen, noch verbliebenen Kneipen im Osten Berlins, in denen sich Schwule und Lesben trafen: in die Goldschmidt-Bar oder in die City-Klause in der Friedrichstraße. Wir versuchten das Beste aus den spießigen Verhältnissen zu machen. Aber – wir merkten es mehr als einmal, wenn wir im Fummel durch die Gegend liefen – wir waren als Transvestiten eine Minderheit innerhalt einer Minderheit. Die Tunte neben mir in der City-Klause prahlte: „Hach, mein Selbstgestricktes“ und meinte ein gehäkeltes Etwas – blutige Amateursarbeit –, das sie stolz in der Hand hielt und das offensichtlich eine Tasche darstellen sollte. Irgendwann schaute sie mich aus ihrem fischigen Gesicht mit kleinen Augen böse an: „Verfatz dich, du blonde Zicke, du hast an diesem Tisch nichts zu suchen.“ Na, du dämliches Luder hast es gerade nötig, dachte ich, nahm meine Tasche und strafte sie mit Nichtachtung. Von einem anderen Tisch riefen Bekannte: „Lottchen, unser Lottchen ist da, komm, hier ist Platz für dich.“ Da guckt Miss Born-to-be-cheap saublöd aus der Wäsche. Aus: Charlotte von Mahlsdorf (1992): Ich bin meine eigene Frau. St. Gallen, Berlin; S. 144f